Im Einklang mit Rilke

von Gastautorin Bettina Borgmann-Laue

Gong

Rainer Maria Rilke

Nicht mehr für Ohren…:Klang,
der, wie ein tieferes Ohr,
uns, scheinbar Hörende, hört.
Umkehr der Räume. Entwurf
innerer Welten im Frein…,
Tempel vor ihrer Geburt,
Lösung, gesättigt mit schwer
löslichen Göttern…:Gong!

Summe des Schweigenden, das
sich zu sich selber bekennt,
brausende Einkehr in sich
dessen, das an sich verstummt,
Dauer, aus Ablauf gepreßt,
um-gegossener Stern…Gong!

Du, die man niemals vergißt,
die sich gebar im Verlust,
nicht mehr begriffenes Fest,
Wein an unsichtbarem Mund,
Sturm in der Säule, die trägt,
Wanderers Sturz in den Weg,
unser, an Alles, Verrat…Gong!

Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, November 1925)

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So wie Rainer Maria Rilke in der Vergangenheit viele Frauen mit seinen Gedichten in den Bann zog, so hat er mich schon als junges Mädchen fasziniert. Seine Gedichte haben eine gewisse Magie und eine Melodie, die mich persönlich sehr anspricht. Egal ob er über Blumen, Tiere, Gott oder die Liebe schrieb, er fand Worte, welche beflügeln können und heute noch so aktuell sind, wie damals. Den klingenden September 2016 habe ich zum Anlass genommen, um einige Gedichte von Rilke mit Klangschalen zu vertonen. Das war eine Herausforderung für mich. Allein der Gedanke, werde ich dem gerecht? Verstehen meine Zuhörer die Interpretation?

Die Vorstellung, was würde Rilke dazu meinen, ließen mein Herz höher schlagen.

In Berlin, im Britzer Garten, zum Thema „Klangmomente“ habe ich im September 2016 meinen ersten Auftritt gehabt. Das Event wurde von der Klanginitiative Berlin-Brandenburg organisiert. Wir hatten mehrere Stände im Garten. Hier gab es verschiedene Klangmomente. Viele Besucher kamen auch, um sich die Dahlienschau anzusehen.

Die Menschen konnten an mir vorübergehen oder sich in Liegestühle setzen und zuhören. Viele entschieden sich fürs Zuhören. Ich war erstaunt, dass alle Plätze besetzt waren. Die harmonischen Klänge der Klangschalen verschmolzen mit meinen Worten, sodass eine Symbiose entstehen konnte. Der Zuhörer hatte einen anderen Zugang zu Gedichten bekommen. Die Gedichte wurden von 11.00 bis 17.00 jeweils eine halbe Stunde rezitiert. Dazwischen war eine halbe Stunde Pause. So konnte ich mit den Leuten ins Gespräch kommen. Einige Menschen gaben mir die Rückmeldung, dass es für sie ein neues Erleben war und sie die wunderschönen Gedichte anders wahrnehmen konnten. Sie waren sehr berührt. Genau das wollte ich erreichen, dass man Rilkes Worte nicht nur hört, sondern fühlen kann.

Beim Vortragen von Lyrik spielen die Bewegung des Sprachflusses im Hör- bzw. Sprachprozess eine wichtige Rolle. Dieser so wichtige Rhythmus des Vortrags kann wesentlich durch Klänge unterstützt werden, z.B. durch Tempoveränderungen, Tonhöhe, Lautstärke oder auch Pausen. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten, die die Worte zum Leben erwecken. Dies macht die Verbindung von Lyrik und Klang auch so besonders. Denn die harmonischen Klänge der Klangschalen und Gongs, die sich im Zusammenspiel zu einem einmaligen „Klangteppich“ verweben, führen den Menschen in eine Entspannung und lassen den Geist zur Ruhe kommen. So entsteht Raum für den Prozess der Imagination. Also den Prozess, bei dem in unserem Bewusstsein sogenannte „innere Bilder“ sowie Gefühle und Gedanken wachgerufen werden.

Es ist für mich ein schönes Gefühl, Lyrik mit Klang zu verbinden und damit die Menschen zu erreichen. So werde ich am 31.03.2017 wieder in Worpswede sein und zusammen mit Angelika Meisner Rilkes Gedichte zum Schwingen und Klingen bringen. Die Einnahmen werden gespendet.

2 Gedanken zu „Im Einklang mit Rilke

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