Klangschalen in der Sterbebegleitung – Wenn Worte nicht mehr reichen

Wie begleite ich einen Menschen, der stirbt? Was kann ich tun, wenn keine Worte mehr helfen – aber ich spüre, dass da noch etwas ist, das gehört, gehalten, wahrgenommen werden möchte? Diese Fragen stellen sich viele Menschen, die Sterbende oder Schwerstkranke auf ihrem letzten Lebensweg begleiten – ob beruflich, ehrenamtlich oder im privaten Umfeld.

Unsere Gastautorin Daniela Abel geht diesen Fragen nach und zeigt, wie Klangschalen in der Sterbebegleitung genutzt werden können-auch dann, wenn Worte nicht mehr reichen.

In meiner Tätigkeit als ehrenamtliche Hospizbegleiterin und in meiner Arbeit mit Klangschalen, stelle ich mir immer wieder die Frage, wie ich Sterbende würdevoll begleiten kann, wie ich kommunizieren kann – wenn Worte nicht mehr reichen.

Und immer wieder mache ich dabei die Erfahrung: Angebote mit Klangschalen können – besonders in der Begleitung schwerkranker oder sterbender Menschen – eine Brücke bauen jenseits von Worten. Zwischen Welten, zwischen Körper und Seele, zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was gefühlt wird.

Sterbebegleitung – oder doch eher Lebensbegleitung?

Viele Menschen denken bei „Sterbebegleitung“ ausschließlich an die letzten Tage oder Stunden vor dem Tod. Oft höre ich dann: „Oh, das könnte ich nicht.“ Doch was viele nicht wissen: Die sogenannte Sterbephase kann Wochen, Monate – manchmal sogar Jahre oder Jahrzehnte dauern.

Für meine Kollegin Annerose Renken und mich ist es deshalb stimmiger, von Lebensbegleitung zu sprechen. Denn bis zum letzten Atemzug leben die Menschen – und genau darin begleiten wir sie. Das gilt für Erwachsene, aber auch für Kinder und Jugendliche mit der Diagnose „lebensverkürzt erkrankt“. Oder für Menschen im Wachkoma, die zwar nicht ansprechbar erscheinen, aber sehr wohl auf feine Reize wie Schwingungen, Berührungen oder Klänge reagieren können. Gerade bei solchen Menschen können Klangschalen eine tiefgreifende Wirkung entfalten.

Dabei geht es nie darum, etwas zu „erreichen“ – sondern darum, gute Momente zu schaffen. Präsenz. Nähe. Würde.

Klangschalen – hörbar, spürbar, heilsam

Klangschalen sind weit mehr als nur „Instrumente“. Ihre Schwingungen werden nicht nur gehört, sondern auch körperlich gespürt. Sie wirken beruhigend, strukturierend und öffnend – und schaffen oft einen Raum, in dem sich etwas lösen darf: Spannung, Angst, Unruhe, aber auch die Enge des Alleinseins.

Ich erinnere mich an einen Mann im Hospiz, der seit Tagen nicht mehr gesprochen hatte. Ich setzte mich zu ihm, ließ behutsam eine Herzschale erklingen, und plötzlich atmete er tief durch. Sein Gesicht entspannte sich. War es ein Zeichen von Wahrnehmung? Vielleicht. Sicher war: Es entstand eine neue Qualität von Stille – nicht leer, sondern voller Präsenz.

Prozesse begleiten – mit Haltung und Respekt

Die Sterbephasen nach Elisabeth Kübler-Ross zeigen, wie individuell und vielschichtig Abschiedsprozesse sein können. Klangangebote mit Klangschalen können in jeder dieser Phasen auf sanfte Weise begleiten:

  • In der Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens wirken sie stabilisierend.
  • In der emotionalen Auseinandersetzung (z. B. Wut, Trauer) helfen sie, Spannungen abzubauen.
  • In Momenten des Loslassens begleiten sie die Seele auf leisen Wegen.
  • Und am Ende schenken sie Geborgenheit, Trost und Verbindung – auch über Worte hinaus.

Dabei ist unsere Haltung entscheidend: achtsam, mitfühlend, urteilsfrei, präsent. Klangschalen sind kein „Werkzeug“ zur Symptombekämpfung – sondern eine Einladung zum Spüren, Sein und Gehaltensein.

Auch Angehörige dürfen gehalten werden

Sterbebegleitung betrifft nie nur die sterbende Person. Auch Angehörige durchleben intensive emotionale Prozesse. Oft sind sie erschöpft, angespannt oder voller Fragen. Die sanften Klänge der Klangschalen können ihnen kleine Inseln des Innehaltens schenken – eine Pause, ein Aufatmen, ein Gefühl von „Ich bin nicht allein“.

In Seminaren wie „Pflege begleiten mit Klangschalen“ oder „Klang in der Sterbebegleitung“ erleben wir oft, wie heilsam es ist, Klangschalen erst einmal selbst zu erfahren, bevor man sie in die Begleitung anderer einbindet. Denn auch wir Begleitenden brauchen Kraftquellen – und Klang kann eine davon sein.

Klangschalen wirken nicht laut – aber tief

Sterben ist ein zutiefst persönlicher und intimer Prozess. Klangschalen wirken dabei wie sanfte Begleiter im Hintergrund. Sie stellen keine Fragen, fordern nichts, sondern sind einfach da. Schwingend. Haltend. Still.

Für uns ist diese Arbeit mit den Klangschalen eine Herzensaufgabe – und zugleich eine Einladung an alle, die in Pflege, Therapie oder Begleitung tätig sind, diesen Weg mit uns zu entdecken.

Praxistipps: Klänge erreichen den Menschen jenseits von Worten

In folgendem Video bekommst du praxisnahe Einblicke, wie Klangschalen in der Sterbebegleitung angewendet werden können. Es handelt sich bei dem Video um die Aufzeichnung des Klangabends: Klangschalen in der Sterbebegleitung vom Oktober 2023 mit Daniela Abel und Annerose Renken. Die Klangabend-Reihe wird jeweils am 2. Donnerstag im Monat vom Internationalen Fachverband Klang-Massage-Therapie e.V. in Kooperation mit dem Peter Hess® Institut und Hess Sound veranstaltet. Aktuelle Termine und Themen findest du hier.

Hinweis: Das Video wird auf YouTube abgespielt. Indem du es aufrufst, stimmst du der YouTube-Datenschutzerklärung zu. 

Weiterführende Tipps

Daniela Abel

ist Peter Hess® Klangentspannungscoach, KliK® Praktikerin und gibt ihr umfangreiches Fach- und Erfahrungswissen als autorisierte Ausbilderin der Peter Hess® Klangmassage und Klangmethoden in Workshops und Seminare weiter. Sie arbeitet in ihrer eigenen Klangpraxis „EntfaltungsRäume“ und ist als ehrenamtliche Hospizbegleiterin tätig, wobei ihre Erfahrungen als ehemalige Betreuungskraft einfließen. Zudem ist sie am Peter Hess® Institut im Bereich Seminarbetreuung tätig.

Kontakt: abel-daniela@web.de ∙ www.daniela-abel.de

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