von Gastautorin Elisabeth Stadler auf Anregung von Barbara Geschwendt
Einst lebte auf einem hohen Berg in Nepal der Meister mit seinem Schüler. Jeden Abend betrachteten sie zusammen den Sonnenuntergang. Der Meister ging danach erfüllt von Freude und Zufriedenheit in seine Hütte und meditierte, bevor er zu Bett ging. Doch den Schüler erfüllte immer mehr eine Unzufriedenheit und er klagte: „Meister, es ist so traurig, so sinnlos, das Schöne, Freudvolle und Erhabene vergeht, es währt so kurz, danach ist es öd und leer.“ Und so geschah es gegen Ende des langen Winters, dass der Meister seinen Schüler hinaus in die weite Welt schickte, damit er eine Möglichkeit fände, das Schöne, das Freudvolle und das Erhabene zu bewahren. Mit auf den Weg gab der Meister seinem Schüler eine goldene Schale. „In dieser Schale“, so sprach der Meister, „kannst Du alles Schöne bewahren.“ Nachdenklich blickte der Schüler seinen Meister an, verabschiedete sich und wanderte ins Tal. Noch ein heftiger Schneesturm ging nieder und der Schüler fing ein wunderschönes Schneekristall in der Schale ein. Doch die hervorbrechende Frühlingssonne verwandelte die Schönheit und Pracht des Kristalls in einen Tropfen Wasser. Der Schüler wanderte weit ins Land und der Frühling kleidete die Landschaft in wundervolle Blüten. Doch wenn er versuchte, eine Blüte in der Schale zu bewahren – es gelang nicht, sie vertrocknete. Und selbst als er den Blüten Wasser in die Schale gab, nach ein paar Tagen waren sie verblüht und vergangen. Er war traurig und niedergeschlagen. Er sah soviel Schönes: junge, neugeborene Tierkinder, singende Vögel, glückliche Menschen, herrliche Landschaften, doch nichts konnte er in der Schale bewahren. Der Sommer zog ins Land und der Schüler kam an ein Meer. Wunderschön glitzerte das Licht der Sonne auf dem Wasser. Doch in der Schale sah das Wasser ganz gewöhnlich aus. Oft sagte er bei sich: „Der Meister hat mir eine zu schwere Aufgabe gegeben, ich kann sie nicht lösen.“ und war ganz unglücklich. Und er begegnete immer noch so viel Schönem, Freudvollem und Erhabenem: die Fischer, die sich am Strand über ihren Fang freuten, der warme Sand unter den Füßen, die hohen Berge im Landesinneren, die Kinder, die die Früchte des Sommers genossen……
Bald schon wurde es Herbst und der Schüler wanderte weiter. Er ging wieder ins Land hinein, den Bergen entgegen. Viele schöne, freudvolle und erhabene Dinge sah er und begegneten ihm: Die Felder reifen Korns, wunderschöne Früchte an den Bäumen, eine Hochzeit liebender Menschen, doch nichts davon konnte er in seiner Schale bewahren und er wurde darüber zornig und wütend, sodass er sich nicht mal mehr über all die schönen, freudvollen und erhabenen Dinge freuen konnte. Eines Tages, gegen Ende des Herbstes, sah er ein paar Gaukler, die zur Freude der Dorfbewohner und ihrer Kinder Kunststücke zum Besten gaben. Sie feierten die gute Ernte und waren sehr glücklich. Der Schüler sah ernst zu, die Wut war verraucht, nachdenklich versuchte er, eine Lösung für die Aufgabe seines Meisters zu finden. Er wollte nicht mehr weiterwandern, bis ihm eine Lösung eingefallen war. Das Fest war zu Ende, die Gaukler zogen weiter.
Der Schüler blieb sitzen, die Schale vor sich auf dem Boden und er starrte in sie hinein. Dann fiel sein Blick auf einen kleinen Trommelschlägel, der vergessen liegen geblieben war. Gedankenverloren hob ihn der Schüler auf und eh er sich versah, schlug er damit an die Schale. Er war überrascht, welch schönen Ton er der Schale so entlocken konnte. Er probierte es gleich nochmal und nochmal und immer schönere, harmonischere Töne kamen aus der Schale. Und mit den Klängen kamen in seinem Inneren all die schönen, freudvollen und erhabenen Dinge wieder zum Vorschein: vom Schneekristall im vergangen Winter, über die Blütenpracht im Frühling und das glitzernden Licht der Sonne auf dem Wasser bis hin zu der Hochzeit liebender Menschen im Herbst und alles andere, was er an Schönem, Freudvollem und Erhabenem auf seiner Reise erlebt hatte. Nun konnte es ihm fast nicht schnell genug gehen: Eilig kehrte er zu seinem Meister auf den hohen Berg zurück. Er brauchte nichts sagen, sein Meister sah an seiner glücklichen Miene, dass sein Schüler seine Aufgabe gelöst hatte: mit den wunderschönen Klängen aus der goldenen Schale alles Schöne, Freudvolle und Erhabene zu bewahren. Im Laufe der Zeit verbreiteten sich die goldenen Schalen immer mehr und fanden mit ihren wunderschönen Klängen auch den Weg nach Europa und so können auch die Menschen hier, in ihrem Innern, mit Hilfe der Klänge der goldenen Schalen alles Schöne, Freudvolle und Erhabene bewahren.
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Vielleicht konnten Sie sich einen Moment des Klangs schenken, während Sie diese Zeilen gelesen haben. Mit den Klangschalen ist es leicht möglich, im Alltag kleine Pausen einzurichten.
4 Gedanken zu „Barbaras Geschichte vom immerwährenden Glück der goldenen Schale!“
liebe elisabeth und liebe barbara,
danke für das teilen der wundeschönen geschichte :)
Eine wunderbare Geschichte liebe Elisabeth.
Ich sitze gerade im Zug und habe sie gelesen und war, auch ohne Klangschale, mit auf der Reise des Schülers.
Ich habe mir auch werden des Lesen schon gedanken gemacht wann ich welche Schale spielen würde.
So werde ich deine Geschicht mal demnächst in einer Klangreise erzählen und dich selbstverständlich erwähnen.
Herzliche Grüße, Aloha und Namasté
Eine sehr schöne Geschichte, die mich schmunzeln lässt – voller Leben und Lebensfreude geschrieben. Vielen Dank fürs Teilen, liebe Elisabeth!