Der Film Touch the Sound – eine Einladung zum Hören mit dem Körper

Eine Filmrezension, die zum Nachdenken anregt, über den Film Touch the sound von Dr. phil. Christina Koller

„Hearing is a form of touch“ – Berührung durch Klang

Als ich 2010 den poetisch anmutenden Dokumentarfilm Touch the Sound über die weltweit gefragte Percussionistin Evelyn Glennie gesehen habe, war ich tief beeindruckt und berührt – ähnlich, wie viele Jahre zuvor bei meiner ersten Gong-Begegnung. Beide Male ging es darum, wie tief uns Klänge zu berühren vermögen – auf einer rein physischen Ebene (als Klangschwingung) ebenso wie auf einer emotionalen und spirituellen Ebene.

Der Filmemacher Thomas Riedelsheimer begleitete für diesen Film die ausdrucksstarke Musikerin über ein Jahr und sagt selbst über seine Protagonistin:

„Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der eine so fein ausgeprägte Sensibilität für die Qualität von Klängen hat wie Evelyn.“

Die Leidenschaft und Ausdruckskraft dieser Ausnahmekünstlerin fasziniert und beeindruckt umso mehr, wenn man weiß, dass die gebürtige Schottin seit ihrem achten Lebensjahr fast taub ist. Sie hat das Hören mit dem Körper im Laufe ihres Lebens perfektioniert. Eine Wahrnehmung, die bei uns „Hörenden“ oft wenig geschult ist.

Evelyn Glennie, die Klänge mehr fühlt als hört, nimmt die Zuschauer in diesem sinnlichen Film auf faszinierende und geradezu berauschende Weise mit in die unwahrscheinlich reiche Welt der Klänge und Rhythmen, die uns ständig umgibt und beeinflusst und in die auch wir als klingende und schwingende Wesen eingebettet sind.

Eine Einladung zum Lauschen auf die Töne hinter den Tönen

Auf seine unvergleichliche Weise hat Thomas Riedelsheimers mit Touch the Sound einen Dokumentarfilm erschaffen, der mehr ist als das Portrait einer Künstlerin. Der Film ist vielmehr eine achtsam Reise in die Welt der Rhythmen und Klänge, er zieht sein Publikum damals wie heute in seinen Bann. Der Filmemacher selbst erklärt:

„Ich wollte herausarbeiten, dass Töne und Klänge mehr sind als nur ´hörbare` Erfahrungen. Sie sind spürbar, sie schwingen in uns, sie beeinflussen und verändern uns.“

Das wissen sicher alle, die mit Klang arbeiten oder schon einmal eine Klangmassage erlebt haben, aus eigener Erfahrung. Und Peter Hess selbst wird nicht müde, die wohltuende und heilsame Qualität, die dieser Erfahrung innewohnen kann, immer wieder zu betonen, wie bei der angeleiteten Übung Hören – Lauschen – Wahrnehmen. Wie der Film, so ist auch diese Übung eine Einladung, die Klänge ganzkörperlich wahrzunehmen, sich von ihnen in die Stille führen zu lassen. Doch auch dann, wenn es keinen äußeren Ton mehr gibt, schwingt und klingt es in uns weiter – unser Blut rauscht, das Herz pocht, der Atem kommt und geht… Und so kommen wir über das „Körperhören“, über das Lauschen und die Stille vielleicht auch in Kontakt mit dem „unhörbaren Klang“, dem Klang des Lebens selbst. Das scheint für mich eine Botschaft dieses 100-minütigen Films mit bzw. über Evelyn Glennie zu sein, welcher den Zuschauern die Schönheit und wunderbare Vielfalt des Universums Klang näher bringt. Für mich ist er ein Plädoyer fürs Hinhören, eine Aufforderung, das zu hören, was sich hinter den Tönen verbirgt, ein Film, der die Sinnesorgane schärft und inspiriert.

Mehr über den Film und seine Entstehung findest du auf der Website www.touch-the-sound.de . Hier kannst du dir den Trailer ansehen:

Veranstaltungstipp:

Vielfältige Einblicke in die faszinierende Welt der Klänge und die Peter Hess®-Klangmethoden bietet der Online-Klangkongress Kraftquelle Klang – Coming home with Sound vom 5.-14.03.2021. Die Teilnehmer dürfen sich auf spannende Vorträge, praxisnahe Workshops, Klangyoga und viel Klanggenuss freuen! Im Anschluss an den Kongress erhalten die Teilnehmenden alle Inhalte zum Download.

Kleiner Exkurs: Mit dem Körper hören

Etwa in derselben Zeit, in der ich den Film sah, schrieb der HNO-Arzt und Psychotherapeut Dr. Uwe Ross einen Beitrag mit dem Titel „Klangarbeit aus neuropsychologischer Sicht“ für das Buch „Peter Hess®-Klangmethoden im Kontext von Forschung und Wissenschaft“ (Verlag Peter Hess, 2010), an dem ich damals zusammen mit Peter Hess arbeitete. Und auch hier erschloss sich mir die Welt der Klänge noch einmal mehr. Für alle, die sich näher für das „Körperhören“ interessieren, hier ein kleiner Einblick in diesen Artikel:

Detailliert beschreibt Uwe Ross (S. 70-87), wie wir bei einer Klangmassage die Klänge über das Ohr als akustischen und über den Körper als kinästhetischen bzw. taktilen Reiz wahrnehmen und verarbeiten. Das Hören ist dabei ein weithin beschriebener und bekannter Prozess. Hingegen ist der „Spür“-Weg“ der Klänge, also die vibrotaktile Wahrnehmung bislang in der Literatur nur wenig beachtet und wenn, dann beziehen sich Beschreibungen eher auf Vibrationsreize, wie sie bei der Massage gesetzt werden.

Beim „Hören“ mit dem Körper nehmen wir die Klänge einerseits über die Haut (Exterozeption) und andererseits über unser Körperinneres (Interozeption) wahr – über Muskeln, Sehnen, Bänder, Gelenke und unsere Eingeweide. Die Reize, die diese verschiedenen Rezeptoren des somato-sensorischen Systems anregen, werden über Nervenimpulse ans Gehirn weitergeleitet und dort in verschiedenen Regionen verarbeitet. Zentral ist dabei der somato-sensorischen Kortex, in dem extero- und interozeptive Informationen verarbeitet werden. Es kommt jedoch auch zu einer Aktivierung der vorderen Insula, in der ebenfalls interozeptive Informationen verabeitet werden, die uns also Auskunft über das Köperinnere gibt. Zudem ist der vorderen zingulären Kortex beteiligt, der mit Aufmerksamkeit und Wachheit in Zusammenhang steht.

Uwe Ross zeigt auf, wie die wiederholte Aktivierung dieser somato-sensorischen Informationswege im Zusammenhang mit Entspannung steht und wie sie zu einer Verbesserung der Körperwahrnehmung führen kann. Letztere wiederum ist eine zentrale Voraussetzung für Selbstregulationsprozesse wie dem adäquaten Reagieren auf z.B. stressbedingte körperliche Symptome. So ist das Hören mit dem Körper ein wichtiger Wahrnehmungsbereich, der mit Hilfe von Klangmassagen oder körperorientierten Klangübungen gut trainiert werden kann.

Ein interessanter Gedanke ist zudem, dass die Stimulierung der Eingeweide (Viszerozeption) auch in Zusammenhang mit dem sogenannten „Bauchgehirn“ stehen könnte, also mit intuitiven Prozessen, wie sie erfahrungsgemäß durch regelmäßige Klangmassage gestärkt werden.

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