Mit Klangschalen die Lebensqualität für schwerkranke Menschen verbessern

Einblicke in eine Masterarbeit am Universitätslehrgang Palliative Care (Psycho-soziale-spirituelle Palliative Care)
von Manuela Eder

Manuela Eder beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit u.a. mit der Auswirkung regelmäßiger Klangangebote mit Klangschalen auf schwerkranke Menschen eines Tageshospizes. Die Akademische Expertin in Palliative Care Msc. und Peter Hess®-Klangentspannungscoach kommt dabei zu dem Schluss, dass die Klänge in diesem Bereich eine wertvolle Ressource sein können, die das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen positiv beeinflusst.

„Musik ist Symbolsprache. Sie ist sowohl abstrakt wie konkret. Musik ist gegenwärtig im Augenblick des Hörens oder Spielens und gleichzeitig voller Geschichte, lässt augenblicklich wichtige Ereignisse der Vergangenheit erinnern oder schafft Bilder, die über den Augenblick hinausgehen. Musik kann ein Traumbild transportieren, einen Mythos sichtbar machen. Die Symbole erreichen durch den kreativen Prozess das Bewusstsein, und ein Stück des Unbekannten wird klarer.“ (Frohne-Hagemann, 1999, S. 147)

Klänge sind ein Teil der Musik. Die Wahrnehmung von harmonischen Tonfolgen – wie sie in der Arbeit mit Klangschalen gegeben ist – ist uns sozusagen in die Wiege gelegt worden und vermittelt uns Urvertrauen. Bei meinen Begleitungen in der Palliative Care kann ich diese positiven Aspekte immer wieder beobachten: Wie wertvoll es ist, einen Raum der Geborgenheit zu gestalten, um Ressourcen für den Alltag zu finden. In Resonanz zu gehen mit dem Klang. Wo eigene Bilder glücklicher Momente entstehen und sich Mut und Zuversicht für das Leben im Hier und Jetzt zeigen dürfen.

Diese Beobachtungen führten mich zu meiner Master Thesis „Mit Klang unterstützte Lebens-, Trauer- und Sterbebegleitung in der Palliative Care. Der Mensch – ein fühlendes Wesen.“ im Rahmen meines Studiums – Universitätslehrgang Palliative Care (Psycho-soziale-spirituelle Palliative Care) an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg.

Klangangebote für Patienten*innen eines Tageshospiz

Die Klänge der Klangschalen eröffnen erfahrungsgemäß einen Raum für Geschichten, Begegnung und Wahrnehmung. Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit des Erkennens. Er weiß, was ihm guttut oder nicht und niemand anderer kann für ihn erkennen, was er nicht selbst entdeckt. Klangangebote knüpfen an unsere emotionalen Schichten des Erlebten an und ermöglicht so einen Zugang zu unserem eigenen Wesen. Durch die Klangentspannung entsteht die Möglichkeit, unser Bewusstsein, die Selbstempfindung und die Stimmung zu verändern; harmonische Tonfolgen können uns in ein neues Erleben hineinführen und schenken Ruhe und Regeneration.

So entwickelte ich im Zuge der empirischen Forschung meiner Masterarbeit Klangangebote für Klangstunden, die ich im Tageshospiz Hall in Tirol durchführte.

Die Grundprinzipien dieser Angebote spiegeln die der Peter Hess-Klangmethoden wieder: Achtsamkeit, Wertschätzung, sanftes Vorgehen (Weniger-ist-mehr-Prinzip), Ganzheitlichkeit, Lösungs- und Ressourcenorientierung, Dialogisches Miteinander.

Das Konzept der Klangstunden war es, einen Raum der Geborgenheit zu schaffen, indem ureigene Gefühle und Emotionen angesprochen werden können. Gefühle haben eine Funktion, sie helfen uns, uns zu orientieren und zu entscheiden.

Das Gefühlserleben ist etwas zutiefst Menschliches und das ändert sich auch nicht mit der Diagnose einer schweren Krankheit. Die Beschäftigung mit dem emotionalen Erleben von Menschen bietet die Möglichkeit in Kontakt zu treten, um Handlungen zu verstehen und Ressourcen zu entdecken. Im Sinne des ressourcenorientierten Ansatzes lag der Schwerpunkt der Klangangebote im Wesentlichen darauf, den Patienten*innen eine schöne Zeit zu ermöglichen, mit Wahrnehmungserfahrungen, angenehmem Körpererleben, Entspannung und Wohlbefinden. Die Arbeit mit Klang und Klangschalen stärkt die Möglichkeiten zu Selbstbestimmung und (nonverbaler) Kommunikation. So können Ängste und Unbehagen reduziert werden und Gefühle von Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit entstehen.

In den Klangangeboten wurden Peter Hess® Therapieklangschalen und -Sangha-Meditationsklangschalen verwendet, ergänzt durch eine Sansula und ein Koshi. Zudem flossen Elemente der Gestalt- und Poesietherapie sowie der Musiktherapie ein. Die Klangangebote wurde z.T. mit Atemübungen und der Progressiven Muskelrelaxation kombiniert.

Das Augenmerk lag also nicht auf der Therapie, sondern immer auf der Klangentspannung und Körperwahrnehmung. Ziel war es, den Patienten die Möglichkeit zu bieten, mit ihrer inneren Weisheit in Kontakt zu treten.

Durchführung der Untersuchung bzw. Klangstunden

Die Datenerhebung erfolgte nach der Grounded Theory (GT) mittels Feldnotizen, Beobachtungsprotokollen, teilnehmender Beobachtung sowie mündlicher Befragung (rezeptives Interview). Insgesamt nahmen 30 Teilnehmer*innen (20 Patienten*innen und 10 Ehrenamtliche/Praktikanten*innen) an meiner Untersuchung teil.

Vor Beginn der Untersuchung wurde das Einverständnis der kollegialen Führung der Tiroler-Hospiz-Gemeinschaft eingeholt. Das zuständige Team des Tageshospiz wurde vor der Durchführung des qualitativen Studienteils informiert, die Methodik vorgeführt und vorgestellt. Das Team war dem Projekt von Anfang an positiv eingestellt.

Je nach Bedarf und Absprache mit der Pflegedienstleitung bot ich von April 2019 bis Februar 2020 einmal wöchentlich eine Klangstunde an. Die Dauer und die Abfolge des Angebotes war variabel und nahm auf die aktuellen Bedürfnisse der Patienten*innen Rücksicht. So gab es teilweise recht unterschiedliche Gruppengrößen die von einer bis zu fünf Personen reichten. Die Patienten*innen wurden teilweise von Ehrenamtlichen oder Praktikanten*innen begleitet.

Einblicke in die Untersuchungsergebnisse

Klangschalen schwerkranke Menschen AuswertungDas Ziel meiner Forschung war es, das emotionale Erleben von Klang zu hinterfragen. Unter anderem stellte ich die Frage „Sind während des Klangangebotes Erinnerungen oder Bilder hochgekommen?“ Von 30 Teilnehmern*innen beantworteten 22 Personen diese Frage mit „Ja“, 8 mit „Nein“, es gab keine Enthaltung.

Klangschalen schwerkranke MenschenEine andere Frage lautete: „Wie haben Sie dieses Klangangebot wahrgenommen?“ Die Antworten der 30 Befragten wurden den Kategorien „wohltuend/angenehm“ 16 x, „beruhigend“ 4 x, „entspannend“ 10 x und „interessant“ 2 x zugeordnet (Mehrfachnennungen waren möglich):

Diese und weitere Antworten bestätigten meine Hypothese, dass die Klänge als wohltuend empfunden werden und das Entstehen von Erinnerungen und Bilder begünstigen.

Impressionen aus den Klangstunden

Klangschalen schwerkranke Menschen
Gedichte von Patienten*innen, die bei einem Klangangebot entstanden.
Klangschalen schwerkranke Menschen Rückmeldungen
Rückmeldungen nach einem Klangangebot

Fallbeispiel:

Einmal in der Woche kam Fr. G. in das Tageshospiz zur Betreuung, um Verbände zu wechseln und zur Schmerzeinstellung. Der soziale Kontakt und die Klangstunde gaben Frau G. Halt in dieser Zeit. In der Klangstunde konnte Frau G. ihren Gefühlen Ausdruck verleihen, sie schrieb z.B. folgende Zeilen:

Ruhe und Regenprasseln

…….. und Tautropfen

Die Schmerzen

ziehen lassen

Die Freude

zulassen

Es war ihr wichtig, an der Klangstunde teilzunehmen, auch wenn für sie das Leben immer beschwerlicher wurde. Wir verbrachten eine schöne Zeit, mit Funken der Freude und Hoffnung für ihren Weg.

Resumee und Ausblick

Der Klang der Klangschalen knüpft an unsere emotionalen Schichten des Erlebten an, was eine Ressource für schwerkranke Menschen sein kann. Es ist ein Anbieten und Halt geben, ein behutsames Aufeinanderzugehen und vor allem ein Wahrnehmen, was ist und was es noch braucht. Klang macht transzendente Erfahrungen möglich, führt in die Entspannung, er ist aber auch noch viel mehr.

Während der Klangstunden konnte ich immer wieder beobachten, wie Klang das Bewusstsein für die Zusammenhänge erweitert und in eine Stille führt, eine neue Sicht ermöglicht, die letztendlich den Weg für Veränderung öffnet.

Klang setzt Impulse, die unsere Achtsamkeit und unsere Körperwahrnehmung unterstützt.

So ermöglichen es Klangangebote, uns neu auszurichten, neu zu orientieren und unsere Gedanken positiv zu beeinflussen. Das Erleben teilt sich unter anderem in Bildern und Erinnerungen mit und öffnet so einen vertrauensvollen Raum, der Austausch möglich macht. Das kann gerade für Menschen, die sich dem Ende ihres Lebens nähern, eine große Unterstützung sein, die Lebensqualität der verbleibenden Zeit zu verbessern.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit mit Klang ist der Aufbau einer Beziehung. Diese kann im Rahmen der Palliativ Care nur eingebettet in einem Team und einer Regelmäßigkeit zustande kommen. Es benötigt noch sehr viel Aufklärung und Pionierarbeit, um die vielen positiven Aspekte der Klangarbeit näher zu bringen. Entscheiden sich die Patienten*innen für eine Teilnahme an einer Klangstunde, sind sie durchwegs begeistert und von dem Angebot sehr angetan und kommen wieder.

Kleine Schritte führen auf neue Wege in die Zukunft und so steht das Klangangebot nach wie vor den Patienten*innen des Tageshospizes Hall in Tirol und der Hospiz-Palliativstation auf Anfrage zur Verfügung. Das Angebot kann nun auch vom mobilen Palliativteam in Anspruch genommen werden.

Weiterführende Tipps:

Literatur:

Frohne-Hagemann, I., 1999. Musik und Gestalt – Klinische Musiktherapie als integrative Psychotherapie. 2 Hrsg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Kölsch, S., 2019. Good Vibrations – Die heilende Kraft der Musik. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH.

Wer Interesse an meiner Masterarbeit hat, kann mich gerne kontaktieren.

Manuela Claudia Eder
ist Akademische Expertin in Palliative Care MSc, Peter Hess®-Klangentspannungscoach und -Klangexpertin Demenz, Schriftstellerin. Fortbildungen: Lehrgang Musikalische Gruppenleitung (Margie Sackl), Gongs und Klangschalen für Konzerte und  meditative Klangräume sowie Handpan und Hang (Peter Gabis).

Zusätzliche Engagements: Ehrenamtliche Tätigkeit auf der HOSPIZ und Palliativstation in Hall in Tirol, Vorträge, Workshops „Klangentspannung“ auf Frühjahrs- Herbstmesse 2017/2018/2019, 7. Österreichischer Interprofessioneller Palliativkongress, Palliative Care – Wege in die Zukunft 2019, Präsentation – Plakatgestaltung, Praxisprojekt Klang und Kommunikation, Lesungen, Gestaltung Klangkurzmeditationen, Klangkonzerte in Kirchen oder meditativen Klangräumen.

Kontakt: E-Mail: mce@klangsalz.at ∙ Web: www.klangsalz.at

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