Gastautor Ulrich Krause rezitiert ein Gedicht von Rilke aufgenommen als Podcast mit Klangschalen:
Eine Einführung in das Gedicht „Wenn es nur einmal so ganz stille wäre“ von Rainer Maria Rilke
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:
Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre
von Rainer Maria Rilke
Als Germanist und Lehrer ist mir dieses Gedicht im Leben immer wieder mal begegnet und je nach persönlicher Lebenssituation hat es unterschiedlich Akzente für mich gesetzt. Aber gerade durch meine langjährige Erfahrung mit Klängen der Klangschalen und ihre Wirkung auf mich hat sich doch wieder eine neue Synthese von Wort und Klang ergeben.
Es ist nicht der Anspruch auf eine allgemeingültige Interpretation, wie sie vielleicht im Deutschunterricht von uns verlangt wurde, sondern eher ein ganz individueller Zugriff auf einen Text, der für jeden seinen Raum entfalten kann. Eher zu verstehen als eine Möglichkeit, einen Zugang zu diesem Gedicht für sich als Lesender oder Hörender zu erschließen. Dieser wunderbare lyrische Text eignet sich besonders, um in eine meditative Stille und Entspannung zu kommen. Entspannung gelingt, wo sich Körper und Geist geborgen fühlen. Die Begleitung der Klänge von Klangschalen unterstützt uns dabei, denn der Klang führt in die Stille. Wir alle kennen die Formulierung „In der Ruhe liegt die Kraft“.
Die Störfaktoren im Gedicht, besonders die „Geräusche“ zeigen, dass der Weg vom Außen nach Innen erst noch gelingen muss, um zu sich zu finden. Es sind häufig die Gedanken, die uns belasten und uns stören, um in die Stille zum Spüren, Lauschen und Wahrnehmen zu kommen. Peter Hess, der Begründer der Klangmassage, fügt in seine Klangmeditationen häufig die Formulierung ein: Lass die Gedanken einfach ziehen wie die Wolken am Himmel, ohne darauf zu verweilen und sie zu bewerten. Eine wichtige Voraussetzung für das Prinzip des Loslassens, Abschied und Neubeginn, eine Perspektive in dieser für uns alle besonders schwierigen Zeit zu erschließen.
Es gilt, Bewusstseinsräume zu öffnen, in denen wir uns entfalten können, das Wesentliche zu erfahren.
Es geht in diesem Gedicht um die Stille, die der Mensch sucht und nicht so leicht findet. Er sucht sie zunächst gedanklich in der ersten Strophe mit 3 Konditionalgefügen „Wenn“, die eine Antwort finden in der 2. Strophe mit „Dann“, so, als würde er erst die Möglichkeit dafür für sich erschließen müssen. Das alles aber ist nur möglich, „wenn es nur einmal so ganz stille wäre“. Das Wort „besitzen“ in der 3. Strophe befremdet vielleicht ein wenig, besonders dann, wenn wir es auf einen uns lieben Menschen beziehen würden. Es könnte wohl eher gemeint sein als eine Art des Zulassens. Also „besitzen“ oder „zulassen“ mit einem „nur ein Lächeln lang“ verbunden, vielleicht ein Gefühl von Zufriedenheit, Glück und Wohlbefinden. Diese Gefühle möchte der Mensch im Gedicht aber nicht für sich behalten, sondern sie dem Leben schenken, es allen verschenken in Freude und Liebe – der Weg zu den Menschen. Ein wunderbarer Gedanke auch für uns selbst, vielleicht Gleiches zu tun.
Mit diesem Gedicht würde ich sie gern einladen, mitnehmen in die Stille.
Vielleicht können auch Sie beim Lauschen auf das Gedicht für sich ganz persönlich einen Bewusstseinsraum erschließen.
Wenn Ihnen dieses Gedicht, meine einleitenden Worte und die Rezitation gefallen haben, dann schreiben Sie doch gern einen Kommentar, der mich motivierten könnte, weitere Gedichte mit Rezitation für Sie liebe Leserinnen und Leser in den Blog zu stellen.
Vertiefung in die Zusammenhänge von Bewusstseinsräumen können Sie gern lesen in 2 Artikeln aus den Zeitschriften des Europäischen Fachverbands Klang-Massage-Therapie e.V.
Klang und Transzendenz, Prof. Dr. Thilo Hinterberger in der Ausgabe 12/2017, S. 6-11
Für meinen Beitrag zum Thema Klang, Schwingung und Bewusstsein lesen Sie hier weiter…
Dieses Gedicht und andere Texte, Klangmeditationen sind in einem Tonstudio in der Nähe von Regensburg aufgenommen, das der Vorstand des Europäischen Fachverbands (Peter Hess, Dr. Christina Koller und Ulrich Krause) Mitte Februar dieses Jahres während einer Vorstandssitzung besucht hat. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Frank Wendeberg (Musiker, Tontechniker, Psychologe und Musiktherapeut) für die Aufnahmen bedanken und auf sein einmaliges Projekt „Im Vielklang mit der Natur“ hinweisen.
3 Gedanken zu „Lyrik und Klang, Teil 1 – Gedicht Rilke als Podcast mit Klangschalen“
Es führt wirklich in diese staunende Stille jenseits der Worte wo alle Schöpfung ihren Ursprung findet.
Danke auch für Ihre berührende Stimme
Liebe Frau Lehmann, vielen Dank für Ihren Kommentar zu unserem Podcast Beitrag. Und es liest sich sehr schön, wie Sie die Klangreise wahrgenommen haben. Schauen Sie gerne unter der Rubrik „Klangübungen für dich“ dort finden Sie weitere Podcasts mit Klangreisen oder auch Texte zum selbst begleiten.